Zitat aus Carl Rogers: "On becoming a Person - 1961"

Entwicklung zum Selbstvertrauen

 

"Man kann dieses Grundmuster, dass ich in Klienten sehe, noch auf eine andere Art beschreiben: er vertraut und schätzt zunehmend den Prozess, der er selber ist. Durch die Beobachtung meiner Klienten habe ich ein besseres Verständnis für kreative Menschen bekommen. El Greco zum Beispiel muss beim Anblick eines seiner frühen Werke erkannt haben, dass "gute Maler nicht so malen". Er vertraute aber irgendwie stark genug auf seine eigene Lebenserfahrung, auf den Prozess seines Selbst, so dass er seine eigenen einzigartigen Wahrnehmungen weiterhin ausdrücken konnte. Als ob er gesagt hätte: "Gute Maler malen nicht so, aber ich male so." Um mich einem anderen Bereich zuzuwenden: Ernest Hemingway war sich sicherlich dessen bewusst, dass gute Schriftsteller nicht so schreiben. Glücklicherweise entwickelte er sich dazu, Hemingway zu sein, er selbst zu sein, anstatt die Vorstellungen anderer von guten Schriftstellern zu befolgen. Einstein scheint ungewöhnlich blind gegenüber der Tatsache gewesen zu sein, dass gute Physiker andere Gedankengänge bevorzugten als er. Anstatt sich aufgrund seiner unzureichenden physikalischen Kenntnisse zurückzuziehen, entwickelte er sich schlicht dahin, Einstein zu sein, seine eigenen Gedanken zu pflegen, so wahrhaftig und tief er selbst zu sein, wie er konnte. Es handelt sich hier keinesfalls um ein Phänomen, dass sich nur bei einem Künstler oder Genie ereignet. Ich habe immer wieder bei meinen Klienten gesehen, wie einfache Leute in dem Maße bedeutend und kreativ im Bereich ihrer Möglichkeiten wurden, wie sie größeres Vertrauen zu den Prozessen gewannen, die sich in ihnen abspielten, und wie sie es wagten, ihre eigenen Gefühle zu empfinden, nach den Werten zu leben, die sie in sich entdecken, und sich auf ihre je einzigartige Art und Weise auszudrücken."